Historische Theologie

Marcel Bauer: Pioniere und Propheten

Marcel Bauer: Pioniere und Propheten. Mission in frühen Fotografien, St. Ottilien: EOS, 2014, geb., 247 S., € 30,–, ISBN 978-3- 830-67672-0

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Der vorliegende großformatige (22 × 26,5 cm) Bildband bietet in der Einleitung „Pioniere und Propheten“ (7–23) einen knappen Überblick über die Missionsgeschichte mit Schwerpunkt auf der Mission vom 18. bis zum 20. Jahrhundert. Der Fokus liegt dabei auf der Arbeit deutscher katholischer Missionsorden, wobei jedoch auch andere katholische Missionsbestrebungen (etwa französische und nordamerikanische Orden) Berücksichtigung finden. Evangelische Initiativen erscheinen nur am Rand (10f – die hier als „Moravier“ bezeichnete Gruppe wird normalerweise als „Herrenhuter“ bezeichnet).

Der Hauptteil des Bandes beginnt mit Fotografien zur Aussendung von Missionaren („Abschieds- und Reiseszenen“, 24–30) und präsentiert nach knappen Hinführungen schwarzweiße und farbige Fotografien aus Lateinamerika und der Arktis (30–51), Asien (58–147, Naher Osten, Indien, Hinterindien und Indochina, China, malaiische Welt, Ferner Osten), Afrika (158–209, Nordafrika, Westafrika, Zentralafrika, Ostafrika, südliches Afrika, Madagaskar) und Ozeanien (214–233, Südsee, Neuguinea). Eingestreut sind Bilder zu den Themen Verkehr und Transport (52–57), Imperialismus (148–153), Alltag (154–157), Jagd (210–213), Musik (234–237) und abschließend Bilder zu Entstehung und Einsatz von Foto und Film in der Mission vor Ort und in den Heimatländern (238–241). In der abschließenden Würdigung („Verschollene Schätze“, 242–244) skizziert Bauer Entstehung und Entwicklung der Missionsfotografie bis in die 1960er Jahre und präsentiert unter der Überschrift „Erbe und Erinnerung“ mehrere gute und dringende Vorschläge, wie Kirchen mit diesem reichen Erbe umgehen sollten (245f). Bauer urteilt: „Diese Fotografien beeindrucken durch ihren dokumentarischen Blick. Sie prägten in ihrer wirklichen oder scheinbaren Authentizität und Unmittelbarkeit die Vorstellung, die sich Menschen im christlichen Abendland von fernen Kontinenten und Kulturen machten. Durch ihre Spontaneität unterscheiden sie sich oft wohltuend von den stereotypen Ansichten und Bildmustern der zeitgenössischen Reisefotografie. Die Aufnahmen werfen dabei ein unmittelbareres Licht auf vergangene Epochen“ (242).

Eine kritische Analyse der präsentierten Fotografien fehlt. Die begleitenden Texte lassen erkennen, dass Bauer dazu bestens qualifiziert wäre. Zur Methodik der Bildinterpretation vgl. Jens Jäger, Fotografie und Geschichte, und ders., Photographie: Bilder der Neuzeit. Einführung in die Historische Bildforschung sowie Timm Starl, Bildbestimmung. Identifizierung und Datierung von Fotografien 1839-1945. Neben Fotografien aus den Archiven katholischer Missionen, nämlich:Barmherzige Schwestern (Vinzentinerinnen) FdC, Cluny-Schwestern SJC, Comboni-Missionare MCCJ, Consolata-Schwestern MC, Dominikaner OP, Gesellschaft Jesu SJ, Heilig-Geist-Väter (Spiritaner) CSSp, Lazaristen CM, Mailänder Missionare PIME, Marianhiller Missionare CMM, Maristen-Schulbrüder FMS, Maryknoll Fathers MM, Mill Hill Missionare MHM, Missionsbenediktiner St. Ottilien OSB, Pariser Missionare MEP, Picpus (Arnsteiner) Patres SSCC, Salesianer Don Boscos SDB, Scheutvelder Missionare CICM, Schwestern vom Guten Hirten RGS, Schwestern vom Kostbaren Blut CPS, Schwestern von Gottes Liebe SCJM, Steyler Missionare SVD, Weiße Schwestern SMNDA, Weiße Väter MAfr, wurden auch Fotografien aus evangelischen Missionsarchiven aufgenommen, nämlich: ev. Missionswerke in Bremen, Breklum, Hamburg, Hermannsburg, Berlin, Wuppertal, Stuttgart, Neuendettelsau, Leipzig und die Herrenhuter Brüdergemeinde. Die Fotografien zeigen zum einen die Missionare und ihr vielfältiges Wirken in Verkündigung, Diakonie und Entwicklungsaufgaben, zum anderen die Menschen, zu denen sich die Missionare gesandt wussten, in ihrem vorchristlichen Zustand, in der konkreten Begegnung mit den Missionaren und als Christen in ganz unterschiedlichen Rollen. So dokumentieren die Fotografien in direkter Weise sowohl die Mühen vor Ort als auch den Missionserfolg und machen ihn für die unterstützenden Kirchen im Heimatland buchstäblich „sichtbar“. In vielen Fällen sind solche Missionsfotografien überhaupt die ersten Abbildungen von außereuropäischen Menschengruppen und Völkern. Solche Fotografien haben zusammen mit anderen Darstellungen und den schriftlichen Berichten unterschiedlicher Art (etwa auch in den „Missionsblättchen“) die Vorstellung der außereuropäischen Welt im 19. Jh. in Europa wesentlich mitgeprägt.

Die hier abgedruckten Fotografien bieten einen hervorragenden repräsentativen Querschnitt aus dem lange vernachlässigten Gebiet der Missionsfotografie. Wenn man bedenkt, dass es sich bei den Fotografien keineswegs um „Schnappschüsse“ handelt, sondern – schon aufgrund des hohen technischen Aufwands unter einfachen und teilweise schwierigen klimatischen Bedingungen! – um sorgfältig gestaltete Kompositionen, wird deren Bedeutung für das Selbstverständnis christlicher Mission, aber auch für ihr Verständnis der zu erreichenden Menschen deutlich. Ferner wäre zu untersuchen, welche Funktion diese Bilder für die Mission vor Ort, aber auch im Heimatland hatte. Welche Inhalte sollten durch diese und unzählige andere Fotografien wem und in welchen Medien und mit welchem Zweck vermittelt werden?

Zu Recht resümiert Bauer daher: „Das gewandelte Missionsverständnis ließ innerkirchlich das Interesse an alten Fotografien und Filmen immer mehr schwinden bis es fast völlig erlosch. Manche Dokumente wurden aus Platz- oder Geldnot weggeschafft, manche in ideologischer Verblendung mutwillig entsorgt. Manche Meisterwerke früher Bild- und Filmkunst liegen immer noch unbeachtet und gut verschnürt auf Dachböden und in feuchten Kellern. Eine Auswahl an zeitgenössischen Aufnahmen aus den christlichen Missionen präsentiert dieser Bildband. Ihre Bedeutung fällt jedem sachkundigen Betrachter sofort ins Auge, unabhängig davon, ob er aus der westlichen oder der südlichen Hemisphäre kommt. Insofern gehören diese Bilder zum Weltkulturerbe“ (244). Zum Thema vgl. auch den Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft in der Universitätsbibliothek Frankfurt am Main (http://www.ub.bildarchiv-dkg.uni-frankfurt.de) und die Website http://kolonialfotografie.com/photosdeutsch.html (Zugriff am 31.3.2017).

 

Prof. Dr. Christoph Stenschke, Dozent für Neues Testament an der Biblisch-Theologischen Akademie in Bergneustadt

 

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